Dokumentationszentrum der Winklarner Hinterglasmalerei

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Was ist Hinterglasmalerei?
Weit verbreitet ist die falsche Vorstellung, dass es sich bei Hinterglasmalerei um die zumeist bei Kirchenfenstern ausgeführte Glasmalerei handeln würde. Wie die Glasmalerei nutzt zwar auch die Hinterglasmalerei das Glas als Trägermaterial; die Glasmalerei wird aber vor allem mit farbigen Gläsern gestaltet und die schwarze Malerei auf den Träger aufgebrannt. Im Gegensatz dazu wurden in der Hinterglasmalerei die aufgetragenen Malfarben nicht gebrannt, weshalb auch der Begriff ‚Kaltbemalung' eingeführt wurde. Während Hinterglasbilder bei Auflicht ihre Wirkung erzielen, benötigen Kirchenfenster durchscheinendes Licht.
   
Das Bemalen auf der Rückseite einer Glastafel kann auf verschiedene Weise ausgeführt werden. Der jedoch im Vergleich zur Tafelmalerei auf Leinwand oder Holz umgekehrte Malvorgang bleibt immer der Gleiche. Die Wirkung einer Hinterglasmalerei täuscht oft über die Kompliziertheit ihrer Herstellung hinweg. Der Hinterglasmaler musste sich vergegenwärtigen, dass sein Malgrund auf dem Glas zugleich die Sichtfläche seines Bildes darstellt.
  
Es wurde vom Vorder- in den Hintergrund gemalt, also die tiefsten Schatten zuerst, gefolgt von den Lichtern und Halbtönen in der Reihenfolge der Übergänge mit dem abschließenden Hintergrund. Unsicherheiten beim Malvorgang konnte sich der Hinterglasmaler somit nicht leisten, jeder Pinselstrich musste von Anfang an sitzen. Nachträgliche Korrekturen waren so gut wie nicht mehr möglich.
    
War das Bild fertig, so drehte der Maler das dekorierte Glas um und rahmte sein Werk. Die Lichtbrechung des Glases ließ dabei die Farben noch intensiver leuchten – ein Effekt, der bis heute den besonderen Reiz der Hinterglaskunst ausmacht. Vergleichbar dem Firnis eines Gemäldes erstrahlen die Malfarben durch den unmittelbaren Kontakt zum Glas. Häufig wurde die Hinterglasbemalung mit einem geschwärzten Untergrund aus Holz, Pappe o. ä. hinterlegt, wodurch das Bild noch kräftiger in den Farben und kontrastreicher erschien.
Von der Vorlage zum fertigen Hinterglasbild
RasterDie Winklarner Hinterglasmaler griffen bei ihrer Motivwahl oft auf Stiche/Drucke berühmter Kunstwerke zurück, die sie entweder direkt als Vorlage verwendeten oder in Form davon gefertigter eigener Skizzen und Zeichnungen übernahmen.
  
In diesem Fall wurden die Vorlagen auch verändert, aufs Wesentliche reduziert, vereinfacht oder ausgeschmückt. Es kam vor, dass der Maler für das eigene Hinterglasbild Versatzstücke aus unterschiedlichen Vorlagen kombinierte. Es entstand ein so genannter Riss. Diese Risse waren für beliebig viele Kopien wieder verwendbar und wurden häufig innerhalb der Familien weitergegeben.
Beim Weg von der Vorlage zum fertigen Hinterglasbild gab es nun mindestens zwei Varianten:

Variante 1:

Die Vorlage (Druck, Stich, Riss) wurde direkt unter die Glastafel gelegt und die Konturen auf der dem Maler zugewandten Oberseite der Tafel mit wasserlöslicher Farbe nachgezeichnet (Gerüst). Anschließend drehte der Maler die Tafel um und brachte als erstes mit deckenden Malfarben die Binnenmalerei zwischen den durchscheinenden Konturlinien des Gerüsts auf. Dann füllte er die noch freien großen Flächen und den Hintergrund (Füllung). Zum Schluss wurde die Glastafel erneut gedreht und die nicht mehr benötigten Konturlinien entfernt. 

Gerüst

Binnenmalerei

Füllung

Gerüst
Binnenmalerei
Füllung

Variante 2:

Hier wurde im Regelfall ein seitenverkehrter Riss unter die zu bemalende Glastafel gelegt. Der Malvorgang erfolgte nun ohne Gerüst direkt vom Riss in derselben Reihenfolge wie oben. Etwaige Konturlinien wurden bei dieser Variante – wie der Rest – mit Malfarbe aufgetragen, blieben stehen und waren Teil der Darstellung.

Ölfarbenmalerei
Seit Jahrhunderten setzten Hinterglasmaler Ölfarbe für ihre Werke ein. Der Wandel der Farbpalette war über die Jahrzehnte des 18. und 19. Jahrhunderts der Zugänglichkeit der Farbmittel, deren Preis, dem herrschenden Zeitgeschmack, der landschaftlichen Zugehörigkeit und der persönlichen Vorliebe des Hinterglasmalers untergeordnet.
    
Trocknende Öle wie Lein-, Nuß- oder Mohnöl eignen sich hervorragend, um mit Pigmenten und Farbstoffen eine Farbe herzustellen, die auch auf dem Glas lange hält. Mit handwerklich-künstlerischem Geschick wurden vom Maler Farbaufträge unterschiedlicher Konsistenzen – von lasierend bis deckend – auf die Glastafel gesetzt und diese übereinander oder ineinander vermalt. Der Pinsel wurde in der Vielfalt seiner technischen Möglichkeiten strichelnd, streichend oder stupfend geführt. Einen Nachteil hatte jedoch die Ölfarbenmalerei, denn diese zwang zum Durchtrocknen des Öls für einige Tage, um das bereits Geschaffene nicht wieder zu verwischen.
Über das Glas
Die Qualität eines Glases beeinflusst in erheblichem Maß die Wirkungsweise eines Hinterglasbildes. An einer unebenen, mit Schlieren überzogenen Tafel bricht sich das Licht stark und erschwert damit das Betrachten des Bildes. Bei einer grünlichen Glastönung musste sich der Maler klarmachen, dass die rückwärtig aufgetragenen Farben von der Vorderseite ein verändertes Aussehen zeigen.
     
Gläserne Bildträger wurden in unterschiedlichsten Stärken und Formaten hintermalt, wobei die Winklarner Maler hochformatige Glastafeln bevorzugten. Die üblichsten Herstellungsarten für Flachglas waren das Mondscheiben-Verfahren und das Zylinder-Blas-Verfahren. Die als Zylinder mundgeblasenen Tafeln sind relativ plan und weisen charakteristische Luftbläschen und gelegentlich Einschlüsse in der Glasmasse auf. Bei diesem Verfahren blies der Glasmacher einen Glaszylinder auf, den er durch Schwenken der Glasmacherpfeife immer mehr verlängerte. Nach dem Abtrennen der Hauben an den zwei Enden wurde die Öffnung erweitert und der Glaskörper aufgeschnitten. Im Streckofen bei einer Temperatur von ca. 650° C wurde das Glas auseinandergefaltet und mit einem Glättholz oder Eisen flach gebügelt. Dadurch ergaben sich Glastafeln in einer Stärke von ca. 2 mm. Da die gewünschte Größe der Glastafel zugeschnitten werden musste, zeigen die Ränder scharfe, glatte Kanten.
Rahmung
RahmenNach Fertigstellung erhielt das Hinterglasbild einen schlichten, meist leicht profilierten und schwarz gestrichenen Rahmen aus Kiefern- oder Fichtenholz, der im Falle der Winklarner Schule wahrscheinlich meist von der Künstlerfamilie selbst gefertigt wurde.
  
Um dem Hinterglasbild Schutz und Halt zu gewähren, hinterlegte man die Glastafel mit einem oder mehreren furnierartigen Brettchen, die mit Holzkeilen im Rahmen fixiert wurden. Unebenheiten im Tafelglas wurden gelegentlich mit einer Polsterung aus gebrauchtem Papier ausgeglichen. Dies verminderte die Bruchgefahr des fragilen Malgrundes.